PostFinance, eine der grössten Finanzinstitute in der Schweiz, hatte Ende 2023 rund 2.7 Millionen Kunden. Diese Zahl gibt einen groben Überblick über die Anzahl der Personen und Unternehmen, die Dienstleistungen von PostFinance in Anspruch nehmen. Diese Kunden haben jüngst angepasste AGB mit 11 (!) Seiten erhalten.
Was ist noch zumutbar?
Ein Rundschreiben der PostFinance von Anfang September 2024 macht die Kunden darauf aufmerksam, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und Teilnahmebedingungen (TNB) angepasst wurden. Ist man mit den Anpassungen einverstanden, muss nichts unternommen werden. Ansonsten kann man dagegen rekurrieren. Rekurrieren in diesem Zusammenhang dürfte aufgrund der grossen Kundenmasse heissen, dass das Geschäftskonto aufgelöst würde und man bei einem neuen Bankinstitut ebenso viele AGB-Seiten durchlesen und akzeptieren müsste. Wie lange dauert es, 11 Seiten mit Kleinstschrift (macht etwa 22 Seiten Normalschrift) zu lesen und vor allem zu verstehen?
Die «versteckte» Teuerungsklausel
Vordergründig werden die AGB und TNB der PostFinance an die Aktualisierungen des Datenschutz- und Vertragsrechts angepasst. Zudem erfolgen Präzisierungen zum Umgang mit kontakt- und nachrichtenlosen Vermögenswerten sowie Anpassungen der Informationspflichten im Bereich Outsourcing. Auf der Internetseite von PostFinance sind Gegenüberstellungen der bisherigen und neuen Bedingungen inkl. Erläuterungen abrufbar. Immerhin ist diese eine willkommene Hilfe, wenn man bedenkt, dass ein KMU jeden Tag Dutzende, ja Hunderte AGB lesen müsste. Im Wesentlichen geht es hier um die kleingedruckten Anpassungen bezüglich Teuerungsklausel. Wegen dieser Klausel, welche Sunrise in ihren AGB neu aufführt, erhebt der Konsumentenschutz Klage. Gestützt auf diese Teuerungsklausel kann Sunrise ihre Preise einseitig, jederzeit und selbstredend erhöhen, wenn der Landesindex für Konsumentenpreise steigt. So weit ist die einseitige Verteuerung in Ordnung. Aber was steht nicht im Kleingedruckten?
Was steht nicht im Kleingedruckten?
Es liegt in der Natur von AGB, insbesondere von mehrseitigen AGB, dass hier Risiken des Anbieters auf den Verbraucher abgewälzt werden. Was in der vorliegenden Anpassung nicht enthalten ist, ist die Verpflichtung der adressierten Fernmeldedienstanbieter, die Tarife wieder zu senken, wenn der Landesindex der Konsumentenpreise sinkt. Weiter wird ein ausserordentliches Kündigungsrecht ausgeschlossen. Der Konsumentenschutz erachtet diese Klausel als missbräuchlich, welche gegen das Lauterkeitsrecht (UWG) verstösst. Sunrise geht in ihren AGB noch weiter: Sie führt eine weitere Klausel ein, wonach Sunrise-Kundinnen und -Kunden nur noch per Telefon und Chat kündigen können. Eine schriftliche Kündigung akzeptiert das Unternehmen nicht mehr. Einige Firmen anzurufen heisst, sich während vielen Minuten eine musikalische Endlosschleife anzuhören. Und wie soll eine 80jährige Person per Chat eine Kündigung mitteilen?
Alles ist wichtig. Vieles kann weggelassen werden.
Die Hochschulen bringen immer mehr Juristen hervor. Viele von ihnen arbeiten in der öffentlichen Verwaltung. Andere in grossen Unternehmen. So kommt es, dass jeder Jurist und jede Juristin, der bzw. die an der Abfassung von AGB mitwirkt, diese zwangsläufig ergänzt, präzisiert und damit in unerträgliche Länge zieht. Die AGB sollten höchstens auf einer A4-Seite Platz finden. Geregelt werden sollte z.B. beim Kauf einer Sache der Übergang des Eigentums, was Auswirkungen auf die Gewährleistungspflicht hat. Alles andere gehört das Marketingversprechen auf der Homepage oder in eine Offerte. Alles, was nicht geregelt wird, ist ohnehin im Obligationenrecht geregelt.
In jedem Fall ist auf die Zumutbarkeit für den Kunden abzustellen. Nicht in die AGB, aber auf die Website gehören z.B. die Zahlungsbedingungen, die Öffnungszeiten, die Lieferzeiten an der Rampe, die Porto- und Versandkosten. So ist nicht nachvollziehbar, warum die AGB der Swisscom unter dem Punkt „Sorgfaltspflichten der Kund:in“ vorschreiben, dass „die Kund:in (sic!) insbesondere Betriebssysteme und Anwendungsprogramme aktuell hält und die von den jeweiligen Anbieter:innen zur Verfügung gestellte oder empfohlene Softwareaktualisierungen und Sicherheitsupdates umgehend installiert“ und bei Verlust des Endgerätes sei PostFinance unverzüglich zu benachrichtigen. Geht man davon aus, dass die meisten der 2,7 Millionen Kund:innen ohne Mobiltelefon im Alltag kaum mehr handlungsfähig sind, ist anzunehmen, dass sie sich selbstverständlich und unverzüglich bei PostFinance melden, wenn sie keine Geldgeschäfte mehr tätigen können.
Fazit
Wer der Kundin oder einem Kunden einen Nutzen bieten will, tut dies durch ein nützliches Produkt oder eine intelligente Dienstleistung. Die dadurch eingesparte Lebenszeit sollte nicht durch das Lesen von AGB wieder zunichte gemacht werden.
Deshalb: 1. In AGB sollte nur das stehen, was ein vernünftiger Mensch als Abweichung vom «Üblichen» lesen muss. 2. Was im allgemeinen Geschäftsverkehr üblich ist, sollte in AGB nicht wiederholt werden. Und 3. AGB sollten nicht länger als eine DIN A4 Seite sein.
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