Eine klare Positionierung holt ein Unternehmen aus der Vergleichbarkeit und ermöglicht es, mit höheren Preisen profitabler zu arbeiten. Sie beschreibt den Prozess, durch den Unternehmen ihre Produkte oder Dienstleistungen in den Köpfen der Zielgruppe einzigartig und attraktiv gestalten. Im Interview führt Martin Aue aus, wie eine Positionierung wirkt und wie sie erarbeitet wird.
Der Markt ist voll mit verschiedenen Anbietern – unabhängig vom Produkt. Solange man kein brandneues Produkt entwickelt, das jeder braucht oder eine erfolgsversprechende Nische für sich entdeckt, ist eine Positionierung unerlässlich. Konkret geht es darum, wofür ein Unternehmen oder ein Produkt steht und wie es sich von der Konkurrenz abhebt. Ein Beispiel: Wenn eine Malerei sagt, dass sie gute Qualität zu einem fairen Preis verkauft, wird sie wahrscheinlich in ihrer Region nicht das einzige Geschäft sein, welches mit dieser Aussage wirbt. Die Firmen sind also aus Kundensicht vergleichbar. Der Kunde entscheidet also über den Preis oder per Sympathiebonus. Wenn also die günstigste Offerte von jemandem anderes kommt oder der Anbieter kein Glück hat, verliert er den Auftrag. Wichtig ist also, dass sich eine Firma abhebt indem sie beispielsweise etwas Einzigartiges kann. So steht zum Beispiel die eine Pizzeria für ein romantisches Ambiente und italienisches Dolce Vita, die zweite für Angebotsvielfalt mit 50 verschiedenen Pizzen, in der dritten arbeitet der Weltmeister im Pizzabacken und in der vierten gibt es am Mittag schnell und günstig über die Gasse etwas in den Magen. In jedem der vier Betriebe gibt es Pizza, aber nicht jeder Anbieter steht für das gleiche. Es werden unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen angesprochen. Doch wie wird eine Positionierung Schritt für Schritt erarbeitet?
Wie wird ein Unternehmer auf das Thema Positionierung aufmerksam?
Martin Aue: Viele KMU klagen über abwandernde Kunden und über zunehmenden Preisdruck. Wer Offerten schreibt und die Aufträge nicht erhält, ist schlecht positioniert. Es gibt Unternehmer, die den ganzen Tag rechnen und sich mit einer miserablen Offertabschlussquote von 10 bis 20 Prozent begnügen. Mit einer guten Positionierung sind jedoch Abschlussquoten von über 50 Prozent möglich – oft erlebe ich nach Neupositionierungen Veränderungen auf einen doppelt so hohen Wert wie vorher. Ein weiterer Hinweis ist, wenn Unternehmer Mühe haben, ihre Preise durchzusetzen. Sowohl tiefe Offertabschlussquoten als auch Preisdruck sind Zeichen von Vergleichbarkeit. Diese wiederum ist das Gegenteil von Positionierung. Wer gut positioniert ist, hebt sich von seinen Mitbewerbern ab, und dies – das ist entscheidend – aus der Sicht seiner Kunden.
Warum ist die Positionierung für KMU wichtiger als bei Grossunternehmen?
Grosse Marktteilnehmer können sich schon durch ihre Grösse positionieren. Und wenn keine Alleinstellung möglich ist, kann viel Werbedruck den gleichen Effekt haben. Das Resultat ist, dass Interessenten in einem Bereich fast nicht um einen bestimmten Anbieter herumkommen. Als KMU gibt es nur den Weg der Spezialisierung. Es geht darum, in einem bestimmten Markt zu sagen: «Hier sind wir stark – hier machen wir etwas anders als alle andern.» In dieser Nische kann sich das Unternehmen dann breitmachen. Resultat ist ein höheres Preisniveau bzw. weniger Rabatte sowie spezifischere Kundenanfragen.
Welches ist die Schwierigkeit der Spezialisierung?
Das Problem ist, dass viele Angst haben, Kunden zu verlieren, wenn sie sich auf bestimmte Bereiche oder Themen spezialisieren. Das Gegenteil ist aber der Fall. KMU verlieren Kunden, wenn sie sich nicht von ihren Mitbewerbern abheben. Viele Alleskönner machen vergleichbare Angebote. Für den Kunden sind solche Gemischtwarenläden schwer zu unterscheiden. Und weil wirkliche Argumente für den einen oder den anderen fehlen, entscheidet der Interessent über den Preis. Diese Situation ist nicht neu. In den letzten Jahren kamen aber noch Globalisierung und die Internetnutzung der Kunden dazu. Dadurch geht das Vergleichen noch transparenter und schneller. Wenn der Kunde dann viele Angebote eingeholt hat und vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht, landet er umso öfter beim Spezialisten.
Sie sagen, dass das Thema Positionierung für KMU entscheidend ist. Worum geht es genau?
Ich verstehe darunter eine Alleinstellung der ganzen Firma und nicht ein Alleinstellungsmerkmal durch ein einzigartiges Produkt oder Angebot. Die Frage ist, welche Punkte ein Unternehmen von anderen unterscheiden. Die meisten Firmen befassen sich nicht bewusst mit ihrer Positionierung. Sie beschäftigen sich aber mit ihrer Offertabschluss-Quote – das Thema ist jedoch dasselbe. Dabei gilt der Preis als zentraler Punkt. Er ist aber nur ein Kriterium von vielen, warum sich ein Kunde für eine Firma entscheidet.
Wo liegt in der Praxis das Problem?
Ich stelle, vor allem auf Basis der Offerten, eine grosse Austauschbarkeit der Unternehmen fest. Die Offerten sind oft in Fachchinesisch geschrieben und unter anderem deshalb kaum unterscheidbar. Zu deren Einheitlichkeit trägt auch bei, dass viele die gleiche Branchensoftware benützen. Für den Kunden ist daher der Preis der einzige Unterschied.
Sind die Offerten wirklich identisch oder ist der Kunde das Problem?
Die Unternehmer sagen mir: «Ich mache die Arbeit ganz anders als der Konkurrent; ich habe diese Position in der Offerte drin, die er nicht hat. usw.» Das Problem ist, dass der Kunde auf der Suche nach einem Anbieter ist und in der Offerte diese Unterschiede nicht sieht. Das liegt nur teilweise am Fachchinesisch. Das Hauptproblem ist, dass die Unternehmer den Kunden keine Argumente liefern, weshalb diese sich für ihre Firma entscheiden sollen.
Sind also die Firmen und ihre Angebote eigentlich gar nicht austauschbar, sondern die Unternehmer zeigen nur ihre Vorzüge nicht?
Genau. Viele sind sich dessen gar nicht bewusst. Der Vorteil daran ist, dass es gar nicht so schwer ist, die Argumente der Positionierung zu formulieren, weil sie bereits vorhanden sind.
Haben Sie ein Beispiel?
Der Unternehmer könnte zum Kunden sagen: «Danke für die Offertanfrage. Hier sind zehn Gründe, warum Sie unser Angebot annehmen sollten.» Dann nennt er konkrete, nachvollziehbare Gründe: «Weil wir Lernende ausbilden. Weil wir in der Region sind. Weil wir schnell sind. Weil wir spezielle Produkte verwenden. Weil es uns seit 100 Jahren gibt und auch in 100 Jahren noch geben wird.» Das sind nur einige der möglichen Argumente.
Man muss zur Offerte sagen, was man kann. Ist das die Positionierung?
Wenn man Alleinstellungsmerkmale hat, muss man sie richtig kommunizieren. Hat man keine, muss man sie finden. Eine gute Positionierung erkennt man so: Der Kunde weiss bereits im Offertprozess, wie sich das Unternehmen von anderen unterscheidet und dass dieser Anbieter genau der richtige für ihn ist.
Muss der Unternehmer seine Firma für eine gute Positionierung verändern?
Manchmal, aber das ist problematisch. Ich stelle fest, dass vielen Unternehmern das Wasser bis zum Kinn stehen muss, damit sie bereit sind für eine Veränderung. Einigermassen gesunde Unternehmen kommen nie mit dem Anliegen, obwohl eine Positionierung auch für sie Sinn ergeben würde. Ich muss aber sagen, dass eine Positionierung alleine nicht der Schlüssel zum Erfolg ist.
Weshalb?
Man kann, wie wir im Berner Oberland sagen, nicht ein Schweinchen zum Singen bringen. Das Potenzial einer guten Positionierung ist, die Offertabschlussquote zu verdoppeln, zum Beispiel von 20 auf 40 Prozent. Man sollte aber das Thema nicht überschätzen. Ein Positionierungsproblem sollte in ein bis zwei Tagen gelöst werden können, beispielsweise in einem Workshop mit dem eigenen Team und einem externen Berater. Wenn man eine Positionierung über Monate an den Haaren herbeiziehen muss, dann stimmt etwas nicht.
Allgemein gilt es als erfolgversprechend, sich in einer Nische zu positionieren. Was ist eine Nische?
Das hat einen engen Bezug zur Positionierung. Wenn ein Unternehmer sagt, ich spezialisiere mich auf eine Nische und bin darin der Beste, hat er ein Alleinstellungsmerkmal, das er raustragen kann und damit hat er eine Positionierung.
Hat also jemand, der in einer Nische spezialisiert ist, alle Probleme gelöst?
Nein, denn die Spezialisierung hat auch ihre Problematik. Der Unternehmer muss nicht nur nach aussen tragen, was er speziell gut kann. Er muss auch konsequent sagen: andere Sachen mache ich nicht. In der Realität ist es so, dass die meisten Unternehmer auch Anfragen annehmen in Bereichen, in denen sie nicht hauptsächlich kompetent sind. Das führt zu Problemen.
Welche Vorteile hat eine konsequente Spezialisierung?
Nehmen wir an, Ihr linkes Knie ist kaputt und der Hausarzt weiss nicht mehr weiter. Dann gehen Sie zu einem Spezialisten. Was ändert sich für Sie?
Ich denke, dass er besser qualifiziert ist, weil er nur mit Knien zu tun hat.
Voilà! Sie unterstellen ihm mehr Kompetenz als dem Hausarzt, obwohl sie das noch nicht wissen können. Das erhöht Ihre Bereitschaft, länger auf die Behandlung zu warten und mehr dafür zu bezahlen oder einen weiteren Weg zu gehen. Das ist eine reine Folge der Spezialisierung. Genau gleich ist es bei Unternehmen. Das ist ein Riesenpotenzial. Es zu nutzen, braucht allerdings etwas Mut.
Martin Aue