Jeder Vorgang im kaufmännischen Geschäftsverkehr beruht auf einem Vertrag. Hier wird vereinbart, wer bis wann gegenüber wem was zu leisten hat. Millionen Transaktionen gelingen. Viele davon erleiden eine Störung, beispielsweise wenn der Kunde nicht zahlt.
Gründe, warum ein Schuldner nicht zahlt, können darin bestehen, dass er entweder nicht will oder nicht kann. Wenn der Schuldner nicht will, geht es um eine abweichende Meinung über die erbrachte oder zu erbringende Leistung. Wenn ein Kunde nicht zahlen kann, hat er entweder zu viel bestellt oder er hat zu wenig (oder gar kein) Geld für die Befriedigung des Lieferanten. Beides führt dazu, dass der Gläubiger eine „schwebende“ Forderung in seiner Bilanz hat.
Erster Akt im Inkassoverfahren
Der Lieferant setzt den Schuldner in Verzug. Dies geschieht mittels Mahnung beziehungsweise Zahlungserinnerung. Ab diesem Zeitpunkt hat der Gläubiger Anspruch auf Ersatz seines Schadens, hauptsächlich bestehend aus dem gesetzlichen Zins von 5 Prozent. Nach der zweiten schriftlichen oder telefonischen erfolglosen Mahnung beschliesst der Lieferant, die Betreibung anzugehen. Das Betreibungsbegehren wird schriftlich oder mündlich an das Betreibungsamt gerichtet. Damit wird das Einleitungsverfahren eröffnet. Zwar muss der Schuldner für die Betreibungskosten aufkommen, vorgeschossen werden diese aber durch den Lieferanten. Daraufhin erlässt das Betreibungsamt den Zahlungsbefehl an den säumigen Schuldner.
Zweiter Akt im Inkassoverfahren
Der Kunde erhebt Rechtsvorschlag. Dieser bewirkt die Einstellung der Betreibung. Das war’s.
Beseitigung des Rechtsvorschlages
Ohne jetzt ausgreifende betreibungsrechtliche Statistiken zu bemühen, lässt sich annehmen, dass der grösste Teil der Forderungen, die eher geringe Beträge aufweisen, als Debitorenverlust „abgeschrieben“ werden. Lohnt es sich, für grössere Forderungen das langwierige und teure Inkassoverfahren fortzusetzen? Ja und nein. Nein, wenn die Forderung nicht mit Belegen oder Urkunden unterfüttert werden kann. Ja, wenn die Forderung auf einer durch öffentliche Urkunde festgestellten oder durch Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung beruht. Im Geschäftsalltag wird eine Bestellung telefonisch, per E-Mail oder sogar per Whatsapp aufgenommen. Die Lieferung der Ware erfolgt beispielsweise durch die hauseigenen Monteure oder durch Postzustellung. Dienstleistungen werden formlos erbracht. Nirgends ist eine Unterschrift vorhanden, die dazu dienen könnte, die Schuld zu bekräftigen bzw. zu beweisen. Regelmässig legt der Lieferant eine unbezahlte und mehrfach angemahnte Rechnung als „Beweis“ für das Bestehen einer Forderung vor. Eine Rechnung ist jedoch kein Beweis. Sie kann lediglich als Indiz dienen, dass zwischen dem Lieferanten und dem Kunden etwas vorgegangen ist. Ein solcher Vorgang kann nur durch ein Gericht anerkannt werden. Mit einem Gerichtsurteil kann der Rechtsvorschlag beseitigt werden, aber es besteht keine Garantie dafür.
Das Gericht entscheidet
Wenn der Bestand einer Forderung im Einleitungsverfahren der Betreibung nicht mittels Urkunde schlüssig und eindeutig vor Rechtsmittelgericht bewiesen werden kann, muss man den Betreibungsweg verlassen und eine sogenannte Leistungsklage beim Gericht am Sitz des Schuldners anheben. Der Weg zum Gericht führt über das Schlichtungsamt, wo zwischen den Parteien einvernehmlich beschlossen wird, ob die Forderung in Gänze, teilweise oder in Raten beglichen wird. Wenn der Kunde nicht zahlen kann oder will, verlässt der Gläubiger das Schlichtungsamt mit einer Klagebewilligung. Ab diesem Moment können die vorzufinanzierenden Gerichts- und Anwaltskosten die infrage stehende Forderung übersteigen. Bei Forderungen bis CHF 30.000 kommt das vereinfachte Gerichtsverfahren zum Tragen, während darüberhinausgehende Forderungen das ordentliche Verfahren erfordern. Es können Monate oder sogar Jahre vergehen, bis man zu seinem Geld kommt. Und ob man Recht bekommt, steht in den Sternen. Im besten Fall erlässt das Gericht ein Urteil, das einen Rechtsöffnungstitel darstellt, mit dem die bestehende Betreibung fortgesetzt werden kann.
Was ist zu tun?
Da eine Rechnung als Beweis wenig bis nichts nützt, wird empfohlen, sich die Offerte vom Kunden unterschriftlich bestätigen zu lassen. Der (vertragliche) Handschlag geschieht zwischen der Unterbreitung der Offerte und deren Annahme durch den Kunden. Wenn unterzeichnete Verträge vorliegen, wird die sogenannte Basler Rechtsöffnungspraxis angewendet. Hierbei erfüllen die Parteien simultan ihre Leistungen. Der Rechtsvorschlag wird hier beseitigt, wenn der Schuldner nicht behauptet, dass die Gegenleistung nicht erbracht wurde und wenn diese Bestreitung offensichtlich haltlos ist oder wenn der Gläubiger gegenüber der Bestreitung des Schuldners durch Urkunden nachweist, dass er seine Verpflichtungen ordnungsgemäss erfüllt hat.
Fazit und Empfehlung
Eine Rechnung ist lediglich eine Bestätigung, dass eine bestimmte Summe zu bezahlen ist. Diese Summe kann jederzeit bestritten werden. Stellen Sie sicher, dass Sie ab heute Ihre Offerte vom Kunden unterschriftlich und im Original bestätigen lassen. Dadurch ersparen Sie sich hohe Gerichtskosten und gewinnen wertvolle Zeit beim Inkasso.
Michele Imobersteg | www.meinJurist.ch