Zahlungsschwierigkeiten? – Frühzeitige Unternehmenssanierung nicht verpassen!

Alle Jahre wieder: In den ersten beiden Quartalen des Jahres ist sog. Bilanzsaison. KMU müssen die Jahresrechnung erstellen und, sofern eine Revisionsstelle besteht, prüfen lassen. Dabei ist von Verwaltungsrat und Revisionsstelle zu beurteilen, ob das KMU fortführungsfähig ist, d.h. während 12 Monaten ab Bilanzstichtag seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann. Dazu müssen ein Budget und ein Liquiditätsplan erstellt werden. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Kapitalverlust ist der Verwaltungsrat verpflichtet, die notwendigen Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft zu ergreifen. Das Gesetz erwähnt in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Nachlassstundung als Sanierungsinstrument. Der vorliegende Beitrag fasst die wesentlichen Punkte dazu zusammen und räumt mit Missverständnissen auf. Dies vorweg: Die Nachlassstundung führt nicht in den Konkurs, sondern ermöglicht die liquiditätsmässige Stabilisierung eines KMU. Nach erfolgter Sanierung wird die Stundung wieder aufgehoben. Die Öffentlichkeit muss davon nicht zwingend erfahren. Stille Sanierungen mittels Nachlassstundung sind möglich und in der Praxis erprobt.

Pflichten des Verwaltungsrates bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Kapitalverlust

Seit dem Inkrafttreten der Aktienrechtsrevision per 1. Januar 2023 gelten strengere Pflichten für den Verwaltungsrat, wenn eine Gesellschaft in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Unter „finanziellen Schwierigkeiten“ versteht der Gesetzgeber eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder einen Verlust von mehr als der Hälfte des Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven. Der Verwaltungsrat muss bei Vorliegen einer solchen Situation umgehend Sanierungsmassnahmen prüfen bzw. ergreifen oder die Bilanz deponieren. Zahlungsstockungen oder kurzfristige Liquiditätsengpässe sind ein Hinweis auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit, weshalb der Verwaltungsrat bei deren Vorliegen eine detaillierte Prüfung der Finanz- und Geschäftslage vornehmen muss. Und dies nicht erst bei der Erstellung der Jahresrechnung, sondern laufend während des ganzen Jahres, wenn jeweils Zahlungsschwierigkeiten auftreten.

Will sich der Verwaltungsrat nicht dem Risiko von Zivil- und Strafverfahren aussetzen und vor allem das KMU retten, muss er bei Vorliegen einer solchen Situation umgehend Sanierungsmassnahmen prüfen bzw. ergreifen oder die Bilanz deponieren. Da es rasch gehen muss, ist die Versuchung in der Praxis gross, Rangrücktritte zu organisieren und Geld zu beschaffen. Dies in der Hoffnung, dass sich das Geschäft erholt und die zusätzlichen Schulden oder Investitionen dereinst zurückbezahlt werden können. Dieser Ansatz verkennt, dass die Liquiditätskrise nicht die Ursache der finanziellen Notlage ist, sondern deren Folge. D.h. ohne Kenntnis der effektiven Ursachen der operativen Probleme und deren Behebung kann eine Sanierung nicht erfolgreich sein und es wird lediglich gutes Geld schlechtem hinterhergeworfen. Zudem ist es oft rein faktisch gar nicht mehr möglich, finanzielle Mittel kurzfristig aufzutreiben, sofern die Eigentümer nichts mehr nachschiessen können. Banken, Investoren und Gläubiger verlangen, dass die Eigentümer bei der Sanierung mitmachen und ebenfalls Federn lassen.

Es braucht somit Zeit und Geld, um eine Unternehmenssanierung zu prüfen und erfolgreich umzusetzen. Genau diese Voraussetzungen fehlen meistens, weil zu spät gehandelt wird. Die Nachlassstundung ist ein Instrument, welches dabei helfen kann, die genannten Hindernisse dennoch zu überwinden.

Nachlassstundung zur Beschaffung von Liquidität und Umsetzung der Sanierung

Eine gerichtliche Nachlassstundung ist in einer finanziellen Stresssituation einfach zu erhalten und hat zur Folge, dass die vorbestehenden Gläubiger ihre Forderungen bis zum Abschluss des Nachlassverfahrens nicht mehr vollstrecken können (mit Ausnahme von grundpfandgesicherten Forderungen, wobei die Verwertung des Grundpfands ausgeschlossen bleibt). Die Geschäftstätigkeit kann während der Nachlassstundung unter Aufsicht eines Sachwalters fortgesetzt werden, sofern die Verfahrens- und Betriebskosten durch die laufenden Einnahmen oder eine Überbrückungsfinanzierung gedeckt sind. Letzteres ist mit Hilfe von spezialisierten Überbrückungsinvestoren rasch zu bewerkstelligen.

Während der Nachlassstundung kann der Betrieb umgehend auf die profitable Grösse geschrumpft werden. Nicht tragfähige Dauerschuldverhältnisse (z.B. Mietverträge, Abnahmeverpflichtungen, Lizenzverträge usw.) können fristlos gekündigt werden. Nicht profitable Betriebsteile können geschlossen und die betroffenen Arbeitnehmer freigestellt werden. Die Kündigungslöhne müssen nicht sofort bezahlt werden. Die Arbeitslosenkasse bevorschusst diese und macht sie dann in der Nachlassstundung als Forderung geltend, die aber erst am Ende des Verfahrens bezahlt werden muss.

Die so gewonnene Liquidität kann vollumfänglich zur Sanierung der Gesellschaft eingesetzt werden. Die Nachlassstundung ermöglicht somit selbst zahlungsunfähigen und überschuldeten Unternehmen einen Sanierungsversuch. Es ist aber zu hoffen, dass auch solche Unternehmen eine Nachlassstundung prüfen und beantragen, welche noch über ausreichend Liquidität verfügen. Dies erhöht die Chancen der Sanierung erheblich.

Mit der Stabilisierung der Liquiditätslage ist die Sanierung noch nicht abgeschlossen. Sie ist aber Grundlage für die operative Sanierung und den Beginn der nachhaltigen Bilanzsanierung. Zur Beseitigung der Überschuldung bestehen während der Nachlassstundung verschiedene Möglichkeiten. Erhöhung des Eigenkapitals, Rangrücktritte und oder Reduktion des Fremdkapitals. Letzteres kann entweder „freiwillig“ durch die Gläubiger erfolgen, oder sie stimmen über einen sog. Nachlassvertrag (Verzichtsvertrag) ab, der auch für diejenigen Gläubiger verbindlich wird, welche diesen abgelehnt haben. Das Gericht prüft, ob der Nachlassvertrag angemessen und fair ist. Denn der Eigentümer kann ja nach Aufhebung der Stundung wieder Gewinne erzielen, wobei die Gläubiger aufgrund des Nachlassvertrages gezwungenermassen verzichten müssen. Es ist aber auch möglich, Gläubigern einen sog. Besserungsschein oder Aktien/Partizipationsscheine anzubieten. Der Eigentümer muss demnach ebenfalls einen sog. Sanierungsbeitrag leisten. Dieser kann auch von einem neuen Investor sichergestellt werden, der sich am KMU beteiligt.

Einerseits verschafft die Nachlassstundung also die erforderliche Liquidität und Zeit zur Prüfung und Umsetzung operativer und finanzieller Sanierungsmassnahmen. Die Stundung kann frühzeitig aufgehoben werden, wenn neues Kapital eingeschossen wird, Gläubiger freiwillig einen Rangrücktritt erklären oder auf ihre Forderung verzichten. Eine solche Sanierung kann auch still, d.h. ohne öffentliche Publikation erfolgen.

Andererseits unterstützt das Nachlassverfahren die Sanierung von Gesellschaften durch die Möglichkeit des Abschlusses eines Nachlassvertrages, mit welchem der Gesellschaft ein Teil der Schulden erlassen wird.

Wenn die Weiterführung der Gesellschaft in der bestehenden Form oder der Abschluss eines Nachlassvertrags nicht erfolgsversprechend sind, kann im Rahmen des Nachlassverfahrens auch ein Verkauf der Gesellschaft oder Teilen davon in einer sog. Auffanglösung erfolgen. Dies wird vom Gericht bewilligt, sofern die Konditionen angemessen sind. Die Rechtssicherheit, welche durch die gerichtliche Bewilligung erzeugt wird, soll übertragende Sanierungen fördern. Auch die bestehenden Eigentümer können eine solche Auffanglösung organisieren, sofern sie einen angemessenen Preis für die Übernahme zahlen. Weiter ist es möglich, einen solchen Verkauf vor Bewilligung der Nachlassstundung vorzubereiten bzw. mit Interessenten auszuhandeln und umgehend nach Eröffnung des Nachlassverfahrens mit der Bewilligung des Gerichts zu vollziehen (sog. Prepacks).

Ablauf des Verfahrens und Dauer

Um eine Nachlassstundung zu erhalten, muss dem Nachlassgericht ein Gesuch mit den erforderlichen Beilagen eingereicht werden. Das Nachlassgericht bewilligt das Gesuch unverzüglich (i.d.R. innert 48 Stunden) und gewährt grundsätzlich eine provisorische Nachlassstundung. Die Gläubiger sind nicht anzuhören und es wird auch keine Verhandlung durchgeführt. Nur in Ausnahmefällen wird dennoch der Konkurs eröffnet, wenn es sich um einen hoffnungslosen Fall handelt. Dann wird das Gericht das KMU aber nochmals anhören und es kann zusätzliche Unterlagen einreichen. Die Hürde zur Erlangung einer provisorischen Nachlassstundung ist vom Gesetzgeber gewollt tief angesetzt, um Sanierungen zu fördern. Es ist dann die Aufgabe des eingesetzten Sachwalters, die Sanierungschancen zu prüfen und gegebenenfalls den Sanierungsversuch abzubrechen.

Die provisorische Nachlassstundung wird zunächst für maximal 4 Monate bewilligt und kann später auf Antrag um höchstens 4 weitere Monate verlängert werden (insgesamt 8 Monate). Wird ein Betrieb fortgeführt, kann auf die öffentliche Bekanntmachung der provisorischen Nachlassstundung verzichtet werden (sog. stille Nachlassstundung). Dies heisst nicht, dass die Nachlassstundung während 8 Monaten tatsächlich geheim bleibt. Aber das KMU hat die Hoheit über die Informationspolitik und kann sämtliche Stakeholder gezielt informieren, was Vertrauen schafft. Es gibt Betriebe, die trotz Öffentlichkeit des Verfahrens normal weiterarbeiten können.

Ergibt sich während der provisorischen Stundung, dass Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages besteht, bewilligt das Nachlassgericht die Stundung definitiv für weitere 4 bis 6 Monate. Auf Antrag des Sachwalters kann die Nachlassstundung sogar auf 12 bis höchstens 24 Monate verlängert werden. Die definitive Nachlassstundung muss zwingend öffentlich bekannt gemacht werden.

Wann endet die Nachlassstundung?

Die Nachlassstundung endet bei Eintritt eines der folgenden Ereignisse:

  • Wenn während der Nachlassstundung eine Sanierung ohne Abschluss eines gerichtlichen Nachlassvertrages gelingt (die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung wurden beseitigt). Während der stillen provisorischen Stundung wird auch die Aufhebung nicht veröffentlicht.
  • Sobald ein gerichtlich bestätigter Nachlassvertrag vorliegt.
  • Wenn der Konkurs eröffnet wird, weil die Sanierung aussichtslos geworden ist.

Kosten für das Erlangen der provisorischen Nachlassstundung

Die Gebühr für Entscheide des Nachlassgerichts beläuft sich in der Regel auf CHF 200.– bis CHF 2’500.–. Nur in Ausnahmefällen kann diese Gebühr auf CHF 5’000.– erhöht werden.

Zusätzlich muss das Honorar des Sachwalters sichergestellt werden. Der Kostenvorschuss beträgt je nach Grösse des Unternehmens zwischen CHF 20’000.– bis CHF 100’000.–. Hinzukommen die Kosten des Rechtsanwalts und weitere Kosten für Steuer- und Unternehmensberater usw.

Es ist gewiss nicht billig. Wer aber deshalb die Nachlassstundung nicht in Erwägung zieht, spart am falschen Ort. Insbesondere ist es nicht verboten, die letzten liquiden Mittel für den Sanierungsversuch aufzubrauchen. Es ist ein grosser Irrtum, dass ein Verwaltungsrat richtig handelt, wenn er am Schluss spart und dem Konkursamt noch ein paar hunderttausend Franken überlässt. Mit dem Konkurs riskiert der Verwaltungsrat, Werte wie Goodwill usw. endgültig zu zerstören, wofür er haftbar gemacht werden kann. Mit anderen Worten hat der Verwaltungsrat die gesetzliche Pflicht, die Sanierung zu versuchen. Dazu muss er sich auch mit den Möglichkeiten der Nachlassstundung auseinandersetzen.

Die Nachlassstundung bietet KMUs eine Chance, zahlungsunfähige und überschuldete Unternehmen zu sanieren und ihnen eine Perspektive für die Zukunft zu geben. Es ermöglicht eine Stabilisierung der Liquidität, die Umsetzung von Sanierungsmassnahmen und die Beseitigung von Überschuldung. Durch die gerichtliche Nachlassstundung werden Gläubigerforderungen vorübergehend ausgesetzt und die Geschäftstätigkeit kann unter Aufsicht fortgesetzt werden.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Nachlassstundung kein Allheilmittel ist und eine sorgfältige Prüfung der individuellen Situation erforderlich ist. Es sollten professionelle Berater, wie Rechtsanwälte und Unternehmensberater, hinzugezogen werden, um den Prozess richtig zu steuern und die Chancen einer erfolgreichen Sanierung zu maximieren.

Insgesamt ist die frühzeitige Erkennung von Zahlungsschwierigkeiten und die rechtzeitige Einleitung einer Unternehmenssanierung von grosser Bedeutung. Die Nachlassstundung kann ein wirksames Instrument sein, um KMUs in finanziellen Schwierigkeiten zu unterstützen und ihnen eine realistische Chance auf eine erfolgreiche Sanierung zu geben.

Bitte beachten Sie, dass die oben genannten Informationen allgemeiner Natur sind und keine rechtliche Beratung darstellen. Im Falle konkreter rechtlicher Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt oder Experten im Bereich Unternehmenssanierung wenden.

www.bhlaw.ch

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